Sie und Aufbau sind ungefähr gleichalt. Was aber auch heißt, dass Sie 2008, als der Verlag von Ihnen gekauft wurde, bereits das Pensionsalter erreicht hatten. Was hat Sie damals zum Kauf bewogen?
Der Ansporn war, dass wir einen Verlag kaufen wollten. Gar nicht notwendig Aufbau. Ich repräsentiere ein Familienunternehmen, das sich als Vermögensverwalter umfassend im Kreativbereich engagiert. Wir hatten schon 2007 informell den Auftrag erteilt, sich umzuhören, ob ein Verlag auf den Markt käme, und im selben Jahr angefangen, dieses Haus, in dem wir jetzt sitzen, als ein Zentrum für Kultureinrichtungen zu planen. Es war klar, dass wir mit eigenen Unternehmen hier hineingehen wollten – auch mit einem Verlag. Den besaßen wir aber nicht, und einen Verlag kann man auch nicht in kurzer Zeit aufbauen. Da war es ein Glücksfall, dass 2008 Aufbau zu haben war – aus unserer Sicht, sicher damals nicht aus der des Verlags, der um seine Zukunft bangte.
Aufbau war seinerzeit in einer schwierigen Situation. Ihr Voreigentümer, Bernd F. Lunkewitz, hatte seine finanzielle Unterstützung des Verlags eingestellt, nachdem gerichtlich entschieden worden war, dass die Treuhand-Anstalt 1992 gar nicht berechtigt gewesen war, das Unternehmen an ihn zu verkaufen. Er hatte sich zwar mittlerweile auch mit dem wirklichen Eigentümer geeinigt, wollte aber nun Schadensersatz von der Treuhand für seine Investitionen. Der Verlag musste daraufhin wegen mangelnder Liquidität Insolvenz anmelden. Warum hat Sie das nicht abgeschreckt?
Aufbau war damals überschuldet und es war unklar, was wem gehörte. Aber der Insolvenzverwalter erkannte, dass er mit allen bisherigen Anspruchstellern Rechtssicherheit für einen Erwerber schaffen und garantieren musste. Insofern war das Risiko nicht der Kauf selbst, sondern der weitere Betrieb eines solchen Verlags. Die Zukunft von Aufbau war riskant, nicht mehr die Vergangenheit.
Trotzdem erwirbt man mit Aufbau ja unweigerlich Vergangenheit. Was wussten Sie als Westdeutscher über diesen Renommierverlag der DDR?
Ich hatte familiäre Beziehungen in Dresden; meine Tante und meine Großmutter lebten dort, und jeweils alle zwei Jahre sind wir abwechselnd zu ihnen und sie zu uns gereist. Wenn wir Geschenke austauschten, gab es von uns Kaffee und Schokolade und von ihnen Bücher, weil es in der DDR nicht viel gab, was man verschenken konnte. So habe ich als Junge schon Bücher vom Aufbau-Verlag besessen, und, als ich vor einiger Zeit noch einmal nachschaute, habe ich die berühmte illustrierte „Tom Sawyer“-Ausgabe von 1953 wiedergefunden. Ich kann also behaupten, dass ich Aufbau-Bücher seit meinem zehnten Lebensjahr kenne. Als meine Frau und ich dann zum Studium nach West-Berlin gegangen sind, haben wir oft den Ostteil der Stadt besucht. Was kaufte man dort für das Geld aus dem Zwangsumtausch? Bücher und Schallplatten. So hatten wir als Leser eine ziemlich enge Beziehung zu Aufbau. Später als Lehrer, nach dem Beitritt, haben wir dann auch immer wieder mal ein Aufbau-Buch gelesen: Klemperer, Kerr und all die Entdeckungen, die dort herausgebracht wurden. Doch beim Kauf des Verlags stand etwas anderes im Vordergrund: Unsere Vermögensverwaltung war damals mit etwa 25 Prozent im Immobiliengeschäft engagiert und wollte das ausweiten: nach einem Wohnprojekt nun mit einem Gewerbeprojekt, aber einem für Firmen, die sinnvolle Produkte herstellten. Wir kommen nun einmal aus der Germanistik, aus der Kultur. Unsere Vertrautheit mit Aufbau-Büchern führte dazu, dass wir uns 2008 binnen fünf Minuten einig waren, uns als Käufer zu bewerben.
August 16, 2020 at 06:53PM
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„Wir müssen vom Ost-Image weg“ - F.A.Z. - Frankfurter Allgemeine Zeitung
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